Einfach gut reiten.
Nichts klingt leichter als das - und doch ist es so schwer. Die Schwierigkeit beim Reiten liegt vor allem in der Komplexität. Und der Fakt, dass wir beim Reiten nicht nur mit uns, sondern auch noch mit dem Lebewesen Pferd beschäftigt sind, potenziert diese Komplexität.
Dennoch sollte man sich als Reiter das "einfach gut reiten" durchaus zum Motto machen, denn es hilft in (fast) allen Lagen! Wie genau auch ihr euch dieses Motto zu Nutzen machen könnt, will ich euch hier erklären:

Vom EINFACHen zum Schwierigen.
Wie eingangs erwähnt, ist Reiten vor allem eines: Sehr komplex. Es ist so vielschichtig und es vereint so viele unterschiedliche Faktoren, dass man schnell den Überblick verlieren kann. Da wir beim Reiten zudem mit einem sehr großen und starken Lebewesen zu tun haben, bringt Reiten außerdem ein gewisses Risiko mit sich. Auf dem Weg zum guten Reiten kann es daher durchaus zu negativen Gefühlen wie Frust, Ratlosigkeit und manchmal auch Angst oder Resignation kommen. Sind erstmal negative Gefühle im Spiel, wird es schnell immer schwieriger, sich dieser negativen Energie zu entziehen.
Eine gute Möglichkeit dieser Abwärts-Spirale zu entkommen besteht darin, sich die Dinge so einfach wie möglich zu machen, indem man sie in ihre Einzelteile zerlegt und sich dann diesen Einzelteilen widmet. Erst wenn man die Einzelteile verstanden hat und anwenden kann, baut man sie wieder Schritt für Schritt zusammen.
Dieses "Vereinfachen" hilft bei allen Themen, sei es beim Erlernen von Dressurlektionen, beim Anreiten eines jungen Pferdes, beim Bewältigen angstmachender Situationen, beim Verladen oder beim Arbeiten an unerwünschtem Verhalten.
In der Praxis stelle ich oft fest, dass es vielen meiner Kunden schwer fällt, ein Thema wirklich in seine kleinen Einzelteile zu zerlegen. Oft wird ein Thema in seiner Komplexität nur unzureichend erkannt, oder es wird als lächerlich empfunden, eine Sache in noch kleinere Einzelteile zu zerlegen. Aber solange der Fehler in der Basis steckt, kann man daraus keine funktionierende Einheit bauen!
Daher mein Nummer 1 Tipp für nahezu jedes Problem: Die Dinge so einfach wie möglich machen, indem man sie in kleine, gut bewältigbare Portionen teilt!
GUTes Reiten fühlt sich gut an.
Schon mal vom Pferd gestiegen und das Gefühl gehabt, die ganze Welt umarmen zu wollen weil es so toll war? Sehr gut, so soll es auch sein! Klar, nicht immer fühlt sich eine Sache, die man gerne tut, so wundervoll an. Es kann durchaus auch mal vorkommen, dass man absteigt und sich denkt, man hört mit dem Reiten am besten ganz auf. Aber das sollte die Ausnahme sein. Insgesamt soll sich Reiten gut anfühlen!
Wenn man hingegen beim bloßen Gedanken ans Reiten Bauchweh bekommt oder sich während des Reitens unwohl oder ängstlich fühlt, dann stimmt was nicht. Wenn man am Pferd sitzt und sich ärgert, oder gar wütend wird, dann ist es höchste Zeit, etwas an sich und der eigenen Einstellung zum Reiten zu ändern. Reiten soll sich gut anfühlen - und zwar für alle Beteiligten. Auch für das Pferd.
Kommt das Pferd gerne mit, wenn es zum Reiten geholt wird? Oder dreht es um, sobald es den Reiter erspäht? Ist es beim Reiten motiviert und arbeitet freudig mit? Oder ist es spannig und steif und entzieht sich bei jeder sich ihm bietenden Möglichkeit? Ist es aufmerksam und offen, oder ist es in sich gekehrt und wirkt abwesend? Reiten ist eine Paar-Aktivität, und daher ist es wichtig, dass es beiden Partnern Spaß macht.
Was kann man nun aber tun, wenn sich Reiten nicht gut anfühlt? Oft liegt das nicht gut anfühlen daran, dass wir unseren Fokus auf dem Schlechten haben, anstatt auf dem Guten. Wenn die gemeinsame Zeit mit dem Pferd sich um das zu drehen beginnt, was nicht funktioniert, wird sich ein positives Gefühl nur noch schwer einstellen. Dabei ist es egal, ob der negativer Fokus aus Angst, Ehrgeiz, Wut, Enttäuschung, Ungeduld oder Unvermögen resultiert. Viele Reitschüler beginnen mir auf die neutral gestellte Frage, wie sich ihr Pferd oder ihr Reiten heute anfühlt, aufzuzählen, was ihrer Meinung nach alles nicht stimmt oder nicht gut ist. Sogar wenn sie von Fortschritten erzählen, wird immer noch angehängt, das natürlich alles noch besser sein könnte. Klar will man weiterkommen in dem man sich verbessert, aber das geht nur, wenn sich Reiten für alle Beteiligten gut anfühlt! Reiter - und Pferdemenschen ganz allgemein - scheinen aber unglaublich problemorientiert zu sein! Und genau das ist es, was sie daran hindert, sich gut zu fühlen. Das überträgt sich natürlich auch auf das Pferd. Mit einem negativen Fokus kann man seinem Pferd ganz schnell jegliche Motivation nehmen.
Mein Tipp Nummer 2 daher: Richte deinen Fokus in der gemeinsamen Zeit mit deinem Pferd auf die Dinge, die gut sind! Wenn du das nächste mal beim Reiten bemerkst, dass du nur noch am kritisieren und nörgeln bist oder das sich ein Gefühl von Unzufriedenheit oder Angst breit macht, halte kurz inne. Atme. Freu dich, dass Du so ein tolles Pferd hast und lass dein Pferd wissen, dass du so empfindest.
REITEN lernt man durch reiten.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, schon gar kein Reitmeister. Man muss reiten nicht nur lernen, man muss es auch (aus)üben. Oft höre ich den Satz, dass jemand schon so und so lange reitet. Die Frage ist aber nicht, seit wann jemand reitet, sondern wieviel jemand reitet. Und dann wäre darüber hinaus natürlich noch die Frage nach der Qualität, aber die gilt ja bekanntlich für alles im Leben. Jedoch - es nutzt das schönste Reiten beim besten Reitlehrer nur so viel, wie auch tatsächlich geritten wird. Wer einmal wöchentlich reitet ist nach einem Jahr 52 mal am Pferd gesessen. In der gleichen Zeit hätte man aber auch 365 mal reiten können. Und auch wenn die Quantität wenig über die Qualität aussagt, die Übung kommt tatsächlich mit der Häufigkeit. Beim Reiten verhält es sich ganz genauso wie beim Erlernen eines Instrumentes, einer Sprache oder jeder anderen Sportart - man wird nur dann besser werden, wenn man regelmäßig und ausreichend übt.
Der zweite wichtige Maßstab ist das WAS ich übe. Wenn ich nur Schritt reite, werde ich auch nur Schritt reiten lernen. Wenn ich im Trab niemals aussitze, werde ich nie gut aussitzen können. Wenn ich im Training nur die Seite reite, die sich leicht anfühlt, werde ich niemals beide Seiten gut reiten können. You get what you train.
Diesen Satz sollten sich überhaupt alle Reiter hinter die Ohren schreiben. Es kann nämlich sehr schnell passieren, dass man etwas trainiert, das man gar nicht trainieren will. Vor allem wenn man ohne Plan und Ziel vor sich hin reitet. Ist das wirklich ein Schulterherein, oder verschiebe ich nur die Hinterhand meines Pferdes? Ist mein Pferd korrekt gestellt oder verwirft es sich? Geht mein Pferd im korrekten Handgalopp? Treibe ich im richtigen Moment?
Auch die Fragen nach dem wie oft, wie lang, wie viel sind wichtig. Nicht nur für den Reiter, auch für das Pferd, denn man trainiert beim Reiten ja bekanntlich nicht nur sich selbst, sondern auch sein Pferd.
Ein Reitlehrer kann hier hilfreich sein, vorausgesetzt, dass der einen Plan hat. Aber wer ernsthaft Reiten lernen will, dem bleibt über kurz oder lang nicht erspart, sich selbst mit der Materie auseinanderzusetzen.
Daher lautet mein Tipp Nummer 3: Erstelle dir einen Trainingsplan und reite danach! In deinem Trainingsplan stehen alle wichtigen Eckdaten, deine Erfolge, deine Misserfolge. Gute und weniger gute Tage. Umstände, die das Training beeinflussen. Im Lauf der Zeit kannst du mit einem Trainingsplan deine Fortschritte sehen oder erkennen, was nicht so zielführend ist und dein Training entsprechend angleichen. Du wirst sehen, wie positiv sich das Führen eines Trainingsplanes auf dein Reiten auswirkt!
In einem meiner folgenden BLOG-Artikel werde ich euch einen meiner Trainingspläne vorstellen. Bis dahin findet ihr aber zahlreiche Anleitungen im Netz, in diverser Fachliteratur und bei ausgewählten Trainern.
In diesem Sinne wünsche ich euch ganz viel Spaß beim einfach gut reiten!