Bahnfiguren: Ein Hilfsmittel der Reiterei
Kennst du die Hufschlagfiguren? Weißt du, wie die Buchstaben der Reitbahn heissen, wie viele Meter der Durchmesser einer Tour hat (in Deutschland: Zirkel) und was die sogenannten Tourenpunkte sind? Ist dir die Reihenfolge der zu durchreitenden Punkte bekannt, wenn du dein Pferd aus der Ecke kehrt reiten sollst? Und aprops Ecke: Wie durchreitet man eigentlich korrekterweise eine Ecke?
Falls du auf all diese Fragen eine Antwort hast, bist du ganz schön fit, was die Theorie des Bahnreitens angeht. Und du gehörst zu der seltenen Ausnahme an Reitern, die entweder einen guten Unterricht hatten oder sich auf diesem Gebiet das nötige Wissen selbst beigebracht haben.
Die Erfahrung zeigt, dass gerade im Bereich der Freizeitreiter der Großteil der Reiter die Bahnfiguren leider mehr schlecht als recht drauf hat. Mancherorts sind sie sogar regelrecht verpönt. Reiten bedeutet doch Freiheit! Was soll da so ein pitzeliges Figurenreiten bringen? Das ist doch nur was für die Dressurreiter!
Falsch, kann ich da nur sagen! Es ist für´s DressurREITEN! Und Dressurreiten ist die Basis allen Reitens, es ist die Grundschule der Reiterei - aller Reiterei.
Dressurreiten dient sowohl der sinnvollen Gymnastizierung als auch - und vorallem - der Ausbildung von Pferd UND Reiter. Dressurreiten brauchen wir in jeder Disziplin, in jeder Sparte, in allen Ausbildungsstufen und Altersklassen, wenn wir Reitpferde und Reiter gezielt, strukturiert und gesunderhaltend ausbilden wollen. Denn unabhängig von der Reitweise - alle sitzen auf einem Pferd, wirken mit Gewicht, Bein und Hand auf dieses ein und wollen im Großen und Ganzen das gleiche: Ihr Pferd in allen Grundgangarten reiten, mit großtmöglichem Bestimmungsrecht was das Tempo und die Richtung angeht, und im allerbesten Fall auch noch auf eine möglichst pferdefreundliche Art und Weise, aufdass der vierbeinige Partner uns immer wohlgesonnen ist und niemals auf die Idee kommen möge unsere körperliche Unterlegenheit zu seinen eigenen Gunsten auszunutzen.
Dieser Wunsch, den alle Reiter haben, eint uns bei aller Individualität, und der kleinste gemeinsame Nenner ist die Grundschule der Reiterei. Und damit das Kind eben einen Namen hat, nennt man es Dressur. Reiten.
Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass Dressurreiten auch ohne Reitbahn funktioniert. Man kann auch im Gelände Dressurreiten - man kann in einem Roundpen Dressurreiten, in einer Halle, auf der Wiese, im Wald etc. Für die allermeisten Reiter, vorallem für Reitanfänger, stellt die Reitbahn einfach eine relativ sichere und mit Sicherheit eine sehr einfache Methode dar, um sich und sein Pferd auszubilden oder Unterricht im Reiten zu erhalten. Auch auf das Pferd darf und sollte bei der Reiterei von Anfang an Rücksicht genommen werden: Auf bewurzelten oder löchrigen Böden im steten bergauf und bergab an Takt und Anlehnung zu arbeiten ist im besten Fall ein erschwerter Level. Nichts desto trotz bin ich ein großer Freund und Anhänger von viel Geländetraining, auch schon mit dem jungen Pferd! Dazu aber gern ein anderes mal mehr, denn in diesem Artikel soll es um das viereckige Klassenzimmer gehen: Die Reitbahn.
Sie hilft uns zunächst einmal dabei, dass wir das, was wir als Reiter lernen wollen, in Worte fassen können. Und bei aller Liebe für für das Tier, das gesprochene Wort ist nunmal unsere menschliche Art der Kommunkiaktion. Wir sind nicht gut im Deuten von Körpersignalen, und noch schlechter im Empfinden von Energien und Emotionen. Damit wir unter- und miteinander kommunizieren können, verwenden wir Worte, die zum Teil recht fachspezifisch sind. Das liegt in der Natur der Sache. Wie beim Erlernen einer neuen Sprache muss das Fachvokabular zunächst erlernt und verstanden werden - nicht nur, um es Einsetzen zu können - sondern auch um das mit Worten Beschriebene UMSETZEN zu können.
"Bein meint eben in der Reiterei nicht einfach nur Bein, wissen Sie? Obwohl, natürlich könnte ich auch einfach nur Bein meinen, das kommt eben darauf an."
Reiten lernen ist ein bisschen wie Schreiben lernen. Wenn wir in der Schule das Schreiben lernen, beginnen wir zumeist in einem Klassenzimmer, wo wir uns mit einer gewissen Ruhe und Konzentration der Sache widmen. Wir erlernen zunächst einen Stift zu halten und zu führen, und dann beginnen wir in der Regel mit einfach Figuren, mit geraden und runden Linien. Niemand lernt das Schreiben, indem er zunächst einmal einen Aufsatz verfasst. In Schreibschrift. 400 Worte.
Wenn wir uns also die Reitbahn als Klassenzimmer vorstellen, als einen Ort des Lernens und Begreifens, dann sind die Bahnfiguren die geraden und gebogenen Linien, die es zunächst von der Pike auf zu erlernen gilt. Aber Achtung: Im Unterschied zum Schüler, der das Schreiben lernt, sind wir als Reiter Schüler UND Lehrer gleichzeitig. Anders formuliert: Unser Pferd ist nicht so geduldig wie Papier. Es ist ein Lebewesen, das wir beim Reiten nicht nur in eine Form bringen wollen, sondern dem wir mit unserem Reiten auch eine Form aufzwingen. Das sollte jedem Reiter immer bewusst sein - gerade auch Reitanfängern. Und diese wiederum sollten in diesem Bewusstsein von ihren Reitlehrern oder Trainern sensibel gemacht werden. Vielleicht würde sich dann die Einstellung gegenüber den macnherorts verpönten, scheinbar überflüssigen Bahnfiguren ändern, und es würde in den Klassenzimern wieder vermehrt der Schwerpunkt auf dem korrektem Erlernen der Basis liegen.
Ein erster Schritt, den man hier als Reiter gehen kann, ist, dass man sich mit den Figuren ernsthaft auseinandersetzt. Gerne vorab mal in der Theorie! Oder ich gehe mal zu Fuß die Linien ab. Kann ich die Figur benennen? Weiss ich, wo ich ankommen soll, wo ich wann abwenden soll? Erst wenn ich selbst WEISS, welche Linie eine Figur überhaupt meint, kann ich darüber nachdenken, diese auch mit meinem Pferd gemeinsam zu reiten. Vorrausgesetzt, ich bin zu diesem Zeitpunkt schon so geschult, dass ich mein Pferd in der Bewegung nicht störe oder gar behindere (Stichwort Sitz!), kann ich nun mit den einfachen(!) Bahnfiguren beginnen, das Pferd mittels meiner Hilfen auf der Linie zu halten. (Die Hilfen und die korrekte Hilfengebung sind wieder ein anderes Kapitel.)
Ich kann an dieser Stelle nur den Tipp geben: Sei ehrlich zu dir und deinem Pferde. Ehrlich und konsequent. Überfordere dich und dein Pferd nicht. Beginne mit Dingen, die dir leicht fallen. Überprüfe, ob sie auch deinem Pferd leicht fallen, oder ob dein Pferd vielleicht MEHR HILFE benötigt. Überprüfe immer beide Richtungen! Rechts und links kann einen enormen Unterschied machen. Wenn du oder dein Pferd Hilfe benötigt - sorge dafür, dass ihr Hilfe erhaltet! Ob das in Form von besserer Kommunikation zwischen dir und deinem Pferd ist, ob es eine deutlichere Hilfengebung meint, oder ob du lieber einen Reitlehrer hinzuziehst, weil dir vielleicht selbst nicht ganz klar ist, wo das Problem liegt... Sei deinem Pferd der Lehrer, den du als Schüler gerne hättest.
